Die Reform der gesetzlichen Rentenversicherung. Wohin führt der Weg für Rente und private Altersvorsorge?

Reform der Rentenversicherung – Quo vadis Rente?

Spätestens seit es 1986 das erste Mal hieß, „die Rente ist sicher„, dürfte jedem klar gewesen sein, dass unser Rentensystem vor größeren Herausforderungen steht. Sätze wie dieser sind eng verwandt mit Klassikern wie „Don’t Panic“, „Bewahren Sie Ruhe!“ oder „Der macht nix. Der will nur spielen.“ So etwas bekommt man nicht zu hören, wenn tatsächlich alles gut läuft.

„Problem erkannt, Problem gebannt.“, sollte man denken. Wenn die Bewusstheit für ein Problem so lange allgemein bekannt ist, wurden doch sicher längst alles Menschenmögliche unternommen, etwas dagegen zu unternehmen. Alles andere wäre doch schließlich unverantwortlich.

Das deutsche Rentensystem krankt. Es leidet an chronischer Überalterung. In einer solchen Situation käme doch niemand auf die Idee, einfach nur an den Symptomen herumzudoktern. Oder etwa doch? Wie es aussieht, leider viel zu lange.

Ein Reförmchen folgte dem anderen. Besser wurde dadurch nur leider selten (wenn überhaupt) etwas. Doch zum Glück hat sich die jetzige Bundesregierung vorgenommen, das Problem endlich anzugehen. So ein Glück. Wir können uns also vielleicht schon bald auf den großen Wurf freuen. Ironie off.

Ein Plädoyer für die gesetzliche Rentenversicherung

Tatsächlich ist es ja in Mode, gegen die gesetzliche Rentenversicherung zu wettern oder gar ihre Abschaffung zu fordern. Da bin ich etwas altmodisch. Ich halte sie für – Achtung, Unwort des Jahres 2010 – alternativlos. Obwohl ich hier auf dem Blog immer wieder betone, wie wichtig eine private Altersvorsorge ist, bin ich tatsächlich für die Reform und den Ausbau der gesetzlichen Rentenversicherung. Warum?

Nun, meiner Meinung nach kann man zwar privat hervorragend vorsorgen, es gibt da aber einen Haken. Solange es freiwillig ist, machen es viele einfach nicht. Da kann man sagen, was man will. Entweder lassen sie es, weil sie es nicht wollen, nicht daran denken, es aufschieben, oder aber, es schlichtweg nicht können. Der Grund ist eigentlich egal: eine – und wenn auch nur teilweise – private Altersvorsorge wird nicht von jedem verfolgt werden.

Man sieht das sehr schön in den USA. Da gibt es hervorragende Möglichkeiten und Förderungen der privaten Altersvorsorge. Jene, die darauf zurückgreifen und es geschickt anstellen, haben ausgesorgt. Doch gerade die jungen Amerikaner sorgen nicht vor. So nutzen zum Beispiel nur ein Drittel der Millenials die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel der privaten Altersvorsorge.

Private Altersvorsorge ist theoretisch gut, rein praktisch funktioniert sie aber nicht flächendeckend. Werden die zur Verfügung stehenden Angebote nicht genutzt, dann ist es egal ob man einen Riester-Vertrag mit kläglicher Rendite zur Verfügung hat oder einen amerikanischen 401k-Plan mit hohem Aktienanteil. Anders ausgedrückt: bei einer Anlagesumme von 0 Euro ist es egal, ob man darauf 2% oder 6% bekommt.

Der einzige Weg, mit dem man eine flächendeckende Versorgung im Alter gewährleisten kann, ist die gesetzliche Rentenversicherung. Punkt.

Selbstständige sollen zur Altersvorsorge verpflichtet werden

Wie diese Woche in Zeitungen zu lesen war, möchte Arbeitsminister Hubertus Heil eine weitreichende Rentenreform zu Wege bringen. Dazu gehört, dass Selbständige zur Altersvorsorge verpflichtet werden sollen.

Ist doch toll, oder? Endlich geschieht etwas. Na, gut, ein gewisser Herr Lindner könnte sich dann vielleicht zu Wort melden – falls er es nicht schon getan hat – und gegen die Zwangsverpflichtung von Leistungsträgern wettern. „Nicht zielgenau… bla bla … Bevormundung … … blabla … … Leistungsgerechtigkeit.“ Das Lied darf als bekannt vorausgesetzt werden.

Tatsächlich zielen die Pläne aber nicht darauf ab, die gesetzliche Rentenversicherung als Ganzes zu festigen. Selbständige sollen nämlich die Wahl bekommen, ob sie Mitglied in einem Versorgungswerk sein möchten (z.B. für Ärzte und Anwälte), einen Rürup-Vertrag abschließen oder in der gesetzlichen Rentenversicherung freiwillig versichert sein möchten.

Das Ergebnis ist leicht prognostizierbar. Besser verdienende Selbständige werden auf private Formen der Altersvorsorge zurückgreifen, während alle anderen mehrheitlich auf die gesetzliche Rentenversicherung angewiesen sind.

Es geht hier also nicht darum, dass alle Selbständigen in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen sollen, wie bei unseren Nachbarn in Österreich. Es wird wohl nur ein kleiner Teil sein und dann auch vorwiegend jene, die auf die Leistungen dringend angewiesen sind. Eine Entlastung der Rentenversicherung wird dadurch wohl nicht erreicht.

Ein weiterer Punkt ist ebenso bemerkenswert. Hier ist doch wieder nur die Rede von Selbstständigen. Wieso spricht man diese Gruppe gesondert an? Dafür gibt es meiner Meinung nach zwei Gründe:

  1. Die SPD versucht ihr Ansehen als soziale Arbeiterpartei zurückzuerobern. „Selbstständige“ klingt nach Unternehmer. Klar. Reiche sollen auch beteiligt werden. Das klingt also erst einmal nach markigem SPD-Pathos: „Reiche Unternehmer müssen auch endlich ihren Beitrag leisten.“ In Wahrheit ist das Vorhaben aber sozial, denn es profitieren vor allem die kleineren Selbstständigen und Scheinselbstständigen davon. Diese brauchen tatsächlich dringend eine ordentliche Absicherung.
  2. Wichtiger ist aber der folgende Punkt: eine Gruppe wird mit dieser Bezeichnung einfach ausgeblendet: Beamte. Mit dem geschickten Kniff, die Aufmerksamkeit auf Selbstständige zu lenken, versucht man wohl vom Thema der Altersbezüge von Beamten abzulenken. Kein Wunder. Erstens sind die Abgeordneten, die diese Änderungen beschließen müssten selbst verbeamtet. Zweitens gibt es hier, zum Beispiel mit den Lehrern, mächtige Interessensverbände. Warum klammert man diese aus? Möchte man sie nicht verärgern?

Grundrente? Welche Grundrente

Prinzipiell ist die Basis- Grund- oder Respektrente sinnvoll und richtig, ganz egal wie man sie nennen will. Alle großen Parteien, bis auf die CDU, haben hier bereits eigene Konzepte vorgelegt. Ein rechter Wettkampf scheint entbrannt zu sein und auch die CDU signalisiert Bereitschaft. Bei den einen ist sie etwas höher, bei denen anderen niedriger. Mal ist eine Bedürftigkeitsprüfung vorgesehen, mal nicht.

Es scheint also so gut wie sicher zu sein: eine irgendwie geartete Grundrente wird wohl kommen. Wer auch immer da koaliert, eine Einigung scheint möglich. Das ist auch vollkommen richtig, denn Menschen sollten im Alter prinzipiell eine ausreichende Grundsicherung haben und sich nicht ständig mit dem Sozialamt auseinandersetzen müssen.

Die Frage, die sich natürlich stellt ist, wie das finanziert werden soll. Der Vorschlag von Arbeitsminister Hubertus Heil sieht vor: wer 35 Jahre gearbeitet hat, soll bis zu 448,- mehr pro Monat an Rente erhalten. Die Grundrente soll dabei auf dem Niveau des Mindestlohnes angesiedelt sein.

Es gibt da nur noch ein kleines Detail zu klären: die Finanzierung. Die ist nämlich noch völlig unklar. Die geplante Reform könnte damit dem Muster der Steuerreformen der letzten Jahren folgen. Zentraler Bestandteil ist auch dieses Mal wieder die Erhöhung von Rentenbezügen.

So sehr ich eine Basisrente für absolut notwendig erachte, hätte ich sie mir im Gesamtkonzept einer strukturellen Rentenreform gewünscht. Ein größerer Plan, die Rente langfristig auf solide Füße zu stellen, ist auch hier wieder kaum in Sicht. Das heißt, an der grundlegenden Problematik der Rentenversicherung verbessert sich dadurch wieder nichts. Im Prinzip wird sie sogar weiter verschlechtert, denn dem bereits angespannten System werden nur noch größere Leistungen zugemutet.

In der Grundrente sehe ich aber noch eine andere Gefahr. Könnte sie ein Schritt hin zu einer Einheits-Grundrente sein, die mit privater Vorsorge gekoppelt wird? Sollte das Rentensystem zukünftig weiter überlastet werden, könnte es verlockend sein, eine solche Einheits-Grundrente einzuführen. Da würde dann jeder, der bestimmte Voraussetzungen erfüllt, einen einheitlichen Rentenbetrag erhalten. Für alles, was darüber hinausgeht, müsste man privat vorsorgen.

Auf dem Weg dorthin sind wir ja schon längst. Erst kam, gepaart mit der Herabsenkung des Rentenniveaus, die Einführung der zusätzlichen privaten Rentenversicherung mit Riester- und Rüruprente. Nun kommt dann vermutlich eine Basisrente. Ein zukünftiger Schritt könnte sein, dass irgendwann alle, auch Besserverdienende, nur noch diese Basisrente erhalten und zusätzlich privat vorsorgen müssen.

Für mich persönlich wäre das vermutlich von Vorteil. Zweifelsohne wären die Höchstbeträge für Besserverdienende nach oben begrenzt. Zusätzlich müsste es dann weitreichende steuerliche Vergünstigungen für private Vorsorge (insbesondere auch mit Aktien) geben.

Wer sich ein bisschen auskennt und genügend finanzielle Spielraum hat, kann dann privat sehr gut vorsorgen, z.B. mit ETFs. Das Problem ist aber, wie oben beschrieben, dass es viele dennoch nicht tun werden. Eine flächendeckende Rentenversorgung wird es nur mit einer stabilen gesetzlichen Rentenversicherung geben. Alles andere führt zu einer Zunahme von Altersarmut.

Hat die gesetzliche Rentenversicherung noch eine Chance?

Rente für Alle muss Rente für Alle sein

Die gesetzliche Rentenversicherung sollte endlich auf breitere Füße gestellt werden. Eine Bürgerversicherung, wie sie z.B. die Grünen fordern, halte ich für sehr vernünftig. Auch Selbständige, Beamte und Mandatsträger sollten darin in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Im aktuellen bzw. geplanten System zahlen ja eben gerade Besserverdienende nicht ein bzw. können es sich heraussuchen. Ich finde, das Solidaritätsprinzip sollte nicht nur für jene gelten, die weniger verdienen.

Versicherungsfremde Leistungen reduzieren

Bei versicherungsfremden Leistungen handelt es sich um Leistungen, die nicht von den jeweiligen Sozialversicherungen, sondern von der Allgemeinheit aus Steuermitteln getragen werden müssten. Die staatliche Rente steht durch den demografischen Wandel ohnehin schon unter großem Druck. Daher ist es für mich vollkommen unverständlich, warum gerade die Rentenversicherung den größten Brocken bei den versicherungsfremden Leistungen schultert.

Laut Hans Böckler Stiftung gehören von 10 Euro, die die Rentenversicherung ausgibt, 4 nicht zu ihren Leistungen. Wir reden hier also von 40%. Es kommen auch immer wieder neue Posten dazu, wie zuletzt die Mütterrente. Diese zusätzlichen Kosten werden nur zum Teil durch Bundeszuschüsse – also durch Steuergelder – aufgefangen. Spätestens hier dürfte jedem klar sein, warum die Rentenversicherung so unter Druck steht.

Staatsfonds nach norwegischem Vorbild

Was könnte helfen? Vielleicht der Blick nach Norwegen. Dort hat man vor 20 Jahren ein neues Altersvorsorgesystem eingeführt. Dabei wurde ein Umlageverfahren wie das unsere mit verpflichtenden kapitalgedeckten Elementen verknüpft.

Diese werden zu einem großen Teil in Aktien investiert, die eine hohe Rendite liefern. Von 1998 bis 2018 betrug die Rendite immerhin 5,5%. Inflationsbereinigt und abzüglich Managementgebühren waren dies immerhin noch einer Nettorendite von 3,6%.

Natürlich könnte man die private Rentenzusatzversicherung auch den Bürgern überlassen. Die Mehrheit wird dies aber nicht tun bzw. nicht in guter Weise machen. Ein Modell wie der norwegische Pensionsfonds macht daher durchaus Sinn und könnte eine Lösung für das deutsche Rentenproblem sein.

Das hat zudem noch weitreichendere Konsequenzen: Norweger haben dadurch ein pro Kopf Vermögen und nicht Schulden. Als Vermögensverwalter hat der Staat dadurch auch ganz andere Möglichkeiten, auf Unternehmen einzuwirken.

Norbert Blüm 1986 auf dem Bundesparteitag der CDU in Mainz.
"Die Rente ist sicher." Nur, wie sicher ist die Altersvorsorge. Was bringen die Pläne für die Reform der gesetzlichen Rentenversicherung?
„Denn eins ist sicher: Die Rente“, Norbert Blüm, 1986.
Quelle: www.wikipedia.org;
Bundesarchiv, B 145 Bild-F073616-0021 / Schaack, Lothar / CC-BY-SA 3.0

Fazit

Mit den aktuell bekannten Rentenreform-Plänen der Regierung bleibt der große Wurf wohl vorerst wieder aus. Mit diesem Satz ist eigentlich alles gesagt. Es wird Besserungen für Selbständige geben, die vor allem geringer verdienenden Selbständigen bzw. Scheinselständigen zu Gute kommen dürften.

Dennoch: Selbstständige, Beamte und auch sonst alle Erwerbstätigen, sollten endlich ganz selbstverständlich in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Darüber bräuchte es eigentlich keine Diskussion geben. Wenn das Solidaritätsprinzip gelten soll, dann muss es eben gerade auch die Besserverdiener miteinbeziehen.

Versicherungsfremde Leistungen müssen endlich reduziert bzw. voll durch Steuergelder finanziert werden. Zukünftige Steuergeschenke für Rentner sollten unterbleiben – zumindest solange bis das System grundlegend reformiert und stabilisiert wurde. Es macht ja keinen Sinn, Wasser in ein leckendes Schiff zu pumpen.

Zusätzlich wäre der Aufbau eines Staatsfonds nach norwegischem Vorbild eine gute Idee. Das wäre in jedem Fall besser, als die Beitragszahler für die private Altersvorsorge den Fängen der Versicherungsindustrie zu überlassen.

Eine Mahnung zum Schluss: so sehr ich mir auch Wünsche, dass es eine ordentliche Reform der gesetzlichen Rentenversicherung geben wird, sicher ist da leider gar nichts. Bei der derzeitigen Situation sollte jeder der kann, in irgendeiner Form privat fürs Alter vorsorgen. Wie hier schon oft gesagt: mein persönlicher Ansatz ist dabei, auf ETFs zu setzen. Das geht schon sehr einfach mit einem einzelnen ETF. Es gibt aber auch andere sinnvolle Wege. Wichtig ist in jedem Fall, dass man etwas tut.

Du bist mit dem was ich hier schreibe nicht einverstanden? Kein Problem. Hinterlasse Deine Meinung unten in der Kommentarspalte. Fragen, aber auch Lob und Zustimmung sind natürlich (mindestens) ebenso willkommen.

Reform der Rentenversicherung - Quo vadis Rente? 1

Kommentare

2 Antworten zu „Reform der Rentenversicherung – Quo vadis Rente?“

  1. Toll! Ich freue mich über jeden Finanzblogger, der Herz und Verstand nicht auf die neoliberale Seite gepackt hat 😉 Die gesetzliche Rente funktioniert, wenn man es politisch will.

    Statt eines Staatsfonds, den ich auch smart fände, könnte man auch Steuererleichterungen für Entnahmen ab dem 63. Lebensjahr für alle Investmentfonds machen.

    1. Avatar von etf-yogi
      etf-yogi

      Danke. Sehe ich auch so. Die gesetzliche Rente ist einfach eine tolle Sache und kann funktionieren, wenn man will. Warum ich den Staatsfonds bevorzuge? Da bleibt es eben eine staatliche Rente und alle machen mit. Gegen Steuererleichtungen für Entnahmen hätte ich natürlich auch nichts oder alternativ auch einen deutlich höheren Freibetrag, aber es trifft dann halt wieder nur die, die auch tatsächlich freiwillig etwas unternehmen und das sind halt einfach viel zu wenige. Es spricht ja aber eigentlich nichts gegen eine Kombination aus Beidem. ?

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