Hast Du schon Mal einen Finanzglückskeks bekommen, in dem stand, dass Du die Rendite vor lauter Dividenden nicht sehen tust? Nein? Na ja, vielleicht sollten wir ihn dann erfinden!
In der Finanzwelt gibt es bereits viele Weisheiten, aber diese fehlt noch, denke ich. Der Spruch hat aber seine Berechtigung und so füge ich ihn der Liste der bisherigen Finanzglückskeks-Sprüche hinzu.
Natürlich handelt es sich hier um eine Variation des klassischen Sprichworts „den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen“. Wie beim bekannten Sprichwort geht es bei der Finanzglückskeksvariante darum, dass etwas vollkommen Offensichtliches übersehen wird, weil man von vielen einzelnen Dingen überwältigt ist.
Und ja: ich halte Dividenden bzw. Ausschüttungen in einem Aktien-ETF für etwas Tolles. Ich freue mich immer sehr darüber und sie motivieren mich, weiter zu investieren. Dennoch muss man aufpassen, dass sie nicht zum Selbstzweck werden.
Überblick
Im Dividendenfieber
Es ist wie bei einer Schatzsuche, bei der Du so fasziniert vom Funkeln der Goldmünzen bist, dass Du die Diamanten nicht bemerkst. Den auf den ersten Blick unscheinbaren Juwelen schenkst Du keine Beachtung.
Vielen Anleger geht es genauso. Statt dem Goldrausch verfallen sie jedoch dem Dividendenfieber. Sie sind ausschließlich auf die Höhe der Dividendenrendite ihrer Investments fixiert.
Das erklärt, warum sich ETFs wie der Global X Superdividend ETF großer Beliebtheit erfreuen. Bei der US-Variante sind immerhin ca. 740 Mio US-Dollar investiert.
Für einen ETF, der auf 10-, 5-, 3-, und 1-Jahressicht konsistent eine negative Jahresrendite aufweist ist das doch recht beeindruckend. Mal ehrlich, das verstehe, wer will.
Sonst rennen Anleger und Anlegerinnen bevorzugt den Aktien und ETFs hinterher, die die letzten Jahre eine tolle Rendite hatten. Hier stürzen sie sich nun in großer Zahl auf einen ETF, der die letzten 10 Jahre lang deutlich unterperformt hat. Wieso nur?
Grund dafür dürften die aktuell etwa 12% hohen Ausschüttungen sein. Das klingt zu gut um wahr zu sein – und ist es wohl auch, denn nachhaltig ist das wohl leider nicht.
Schaut man sich die Dividendenwachstumsrate beim US-Pendants der letzten 10 Jahre an, so liegt diese bei -5,89% pro Jahr. Das heißt, die Ausschüttungen wurden kontinuierlich gesenkt.
Also halt! Bevor du in diesen Strudel gerätst, lass uns gemeinsam einen Blick auf das große Ganze werfen.
Die Gesamtrendite im Blick behalten
Denk daran: die Dividenden von Aktien bzw. Ausschüttungen von ETFs sind nur ein Teil der Gesamtrendite.
Es ist wie bei einem Obstkuchen, den Du beim Bäcker siehst: die Dividenden sind wie die leckeren Früchte oben drauf. Die saftigen Erdbeeren, lachen Dich zum Beispiel schon aus der Ferne an und verleiten Dich zum Kauf.
Die Kursentwicklung ist hingegen wie der köstliche Teig darunter. Eine ausgewogene Mischung aus beiden ist entscheidend für den Genuss. Ob Dir der Kuchen schmeckt, hängt ja vom Zusammenspiel der Beiden ab. Ich mag zum Beispiel keinen Obstkuchen mit Creme darunter. Die kriege ich einfach nicht hinunter.
Bei der Geldanlage ist es ganz genauso. Anstatt „die Rendite vor lauter Dividenden nicht sehen“, solltest Du besser auf Folgendes achten: die Kombination aus Kursentwicklungen und Dividenden bzw. Ausschüttungen. Sie garantiert Deinen finanziellen Erfolg.
Es sind letztlich beide gemeinsam, Kursentwicklungen und Dividenden, die Dein Portfolio anwachsen lassen. So wie der Boden des Obstkuchens und sein Belag dafür sorgen, dass Dein Bauch immer weiter wächst, machen Sie Dein Portfolio fett.
Verlier Dich nicht im Dickicht des Finanzdschungels
Wenn Du allein im Finanzdschungel herumirrst, lasst Dich nicht von den Dividendenbäumen in die Irre leiten. Sie sind schön anzusehen, aber nur ein Teil des Waldes.
Richte Deinen Blick auch auf die anderen Bäume des Waldes, selbst wenn sie unscheinbar wirken. Wer weiß, vielleicht versteckt sich dort im Dickicht des Finanzdschungels ein versteckter Schatz in Form einer tollen Kursentwicklung.
Wenn beides zusammenfällt, eine ordentliche Rendite und eine gute Kursentwicklung, ist das natürlich am besten.
Ein interessanter ETF ist für mich daher, z.B. der WisdomTree Global Quality Dividend UCITS ETF, den es auch als ausschüttenden ETF gibt.
Er ist zwar auf Dividenden fokussiert, aber hier stimmt beides, die Kursentwicklung und die Dividende. Natürlich kannst Du aber auch, wenn Du Ausschüttungen magst, einfach einen ausschüttenden ETF auf den MSCI World oder den FTSE All-World kaufen.
Davon einmal abgesehen, kannst Du auch einfach einen thesaurierenden ETF besparen und in der Entsparphase dann einfach einen Entnahmeplan einrichten.
Fazit – Rendite vor lauter Dividenden nicht sehen
Beim Investieren geht es immer darum, den Blick auf das große Ganze nicht zu verlieren. Es ist kein Spurt, sondern ein Langstreckenlauf. Wichtig ist, was am Ende herauskommt. Die Gesamrendite ist wesentlich.
Die Dividende spielt dabei zwar eine Rolle, ist aber nicht die gesamte Rendite. Diese besteht aus der Kombination von Dividenden bzw. Ausschüttungen und Kursentwicklungen.
Wenn Du die Rendite vor lauter Dividenden nicht sehen kannst, lässt Du langfristig vermutlich viel an Rendite liegen.
Kurzfristig hohe Ausschüttungen sehen toll aus, nützen auf Dauer aber nicht unbedingt. Im Gegenteil – werden sie nicht kontinuierlich reinvestiert (z.B. automatisiert in einem thesaurierenden ETF), sondern ausgegeben, dann verpufft ein Teil der Rendite sogar auf dem Weg.
Je nach Portfoliogröße kann es auch zu steuerlichen Nachteilen kommen. Zudem nützt Dir ein ETF mit hohen Ausschüttungen wie der Global X Superdividend ETF nicht viel, wenn die Ausschüttungen mit der Zeit kontinuierlich sinken und der Kurswert immer weiter fällt. Das ist leider nicht nachhaltig.
Natürlich sind wachsende Ausschüttungen schön anzusehen und können Dich motivieren, am Ball zu bleiben. Das sehe ich selbst ebenso durchaus positiv und es macht für mich auch manche der Nachteile von ausschüttenden ETFs wett.
Dennoch: bei der ETF-Auswahl achte ich vor allem auf die Gesamtrendite. Sie muss stimmen. Ist die Gesamtrendite niedrig, nützen die schönsten Dividenden nicht viel.
Wenn Du es etwas ausführlicher haben möchtest, ist dieser Artikel von Gerd Kommer ein guter Einstieg.
Hat Dir der Finanzglückskeks geschmeckt? Freust Du Dich schon auf einen Weiteren? Wer weiß, welche weisen Worte er für deine finanzielle Reise bereithält!
Die früheren Finanzglückskeks-Artikel findest Du hier:
- Alle Geldflüsse fließen ins Meer.
- Besser ein ETF im Portfolio, als einen Tenbagger auf der Beobachtungsliste.
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View Comments (5)
Einen ausschüttenden ETF auf den MSCI ACWI IMI gibt es m.W. nicht.
Danke für den Hinweis. Ich hatte da eigentlich den MSCI World im Kopf und habe es im Text abgeändert. Andererseits ist es echt erstaunlich, dass es gerade für den MSCI ACWI noch nicht wirklich Auswahl gibt. Ich bevorzuge ohnehin Vanguard und da gibt es ja in der Regel Ausschütter und Thesaurier zur Auswahl.
Moin Rolf,
ich finde, es gibt bei Ausschuettungen zwei Hauptgruende, die fehlleiten koennen
1) es nicht verstehen zu KOENNEN (rechte Tasche, linke Tasche, Schwund durch Steuern auf Ausschuettungen, nur ein Teil der Aktienmarkt-Renditequelle wird abgegriffen), das sind hoffentlich die Wenigsten ...
2) es nicht verstehen zu WOLLEN zB es nicht als soo schlimm zu erachten, auf Ausschuettungen zu fokussieren.
Nenn' es den Marshmallow-Effekt (https://de.wikipedia.org/wiki/Belohnungsaufschub), oder die Neigung zuviel zu Rauchen, Saufen, Fressen, Suchten ..., es geht stets um den Belohnungseffekt im Gehirn. Man will ihn, man sucht ihn (zT unbewusst), weil Langzeitschaeden (Minderrendite) in der Gegenwart irrelvant/tolerabel erscheinen.
Das ist ein voellig normaler Mechanismus, fast jeder von uns hat ihn beim ein oder anderen Thema.
Bei Ausschuettungsvorliebe kommt aber keiner direkt zu schaden und der eigene Schaden bei der Altersvorsorge ist ggfs auch ueberschaubar ...
Gibts noch mehr Hauptgruende als diese zwei?
LG Joerg
Hallo Jörg,
das sehe ich tatsächlich ähnlich. Persönlich halte ich den Belohnungseffekt durch die Ausschüttungen ja auch in der Tat für etwas Gutes. Für mich ist das ähnlich wie der Effekt von Anleihen als Beimischung. Sie verringern zwar die Gesamtrendite, sorgen aber im Idealfall für mehr Stabilität im Portfolio. Dadurch verhindern sie, dass man in Panik das Portfolio im Crash verkauft. Sogesehen, erhöhen sie die anlegerbezogene Rendite in vielen Fällen. Ein Verkauf aus Panik schädigt ein Portfolio ja ggf. immens. Die verringerte Gesamrendite aufgrund einer möglichen Anleihenbeimischung spielt da verhältnismäßig eine deutlich geringere Rolle.
Regelmäßige Ausschüttungen und der damit verbundene Belohnungseffekt hat für mich da eine ähnliche Funktion. Der Belohnungseffekt regt Anleger und Anlegerinnen an, mehr zu investieren, damit noch mehr Ausschüttungen entstehen. Im Crash sinken Ausschüttungen nicht im gleichen Maß wie die Kurswerte und durch günstige Zukäufe lassen sie sich ggf. sogar ordentlich steigern. Insofern begünstigen sie ein gutes Anlegerverhalten: diszipliniert dabei bleiben und selbst im Crash weiter investieren. Der entsprechende Steuernachteil (nach Ausschöpfung des Freibetrages) ist zwar gegeben, für mich aber auch vernachlässigbar, solange Dividenden nicht zum alleinigen Fokus werden und man dabei die Gesamtrendite aus dem Blick verliert. Darüber hatte ich vor langer Zeit hier schon mal geschrieben.
Aber gute Frage: ich denke mal darüber nach, ob mir noch etwas einfällt. Ein weiterer Grund könnte natürlich sein, dass man Dividenden als Faktor betrachtet, wobei das natürlich auch nicht sehr fundiert ist, da Dividendenwerte ja kein reiner Faktor sind, sondern in der Regel eine Mischung (z.B. aus Value und Quality).
Viele Grüße
Rolf
sehr schön zusammengefasst! den Spruch "die Rendite vor lauter Dividenden nicht sehen" muss ich mir unbedingt merken!
Viele Grüße
Jenni