Jens Rabe meldet sich zum Thema Buy and Hold zu Wort. Eigentlich hatte ich ihn bisher nicht als langfristig orientierten Investoren wahrgenommen, sondern eher als bekennenden Trader.
So wundert es dann auch nicht, dass sein kurzes Video zum Thema dann auch „Darum funktioniert Buy & Hold nicht!“ lautet.
In dem knapp 14 Minuten dauernden Beitrag auf YouTube legt er dann auch dar, warum das gute Buy & Hold seiner Meinung nach nicht funktioniert und wie Du an der Börse wesentlich einfacher Geld verdienen kannst.
Eine derart steile These fordert Widerspruch natürlich direkt heraus und voilà, der kam auch prompt. Aktienfinder Torsten Tiedt, der ja selbst in seinem Blog einen eher aktiven Ansatz bei der Aktienauswahl verfolgt, meldete sich mit einer Video-Reaktion zu Wort, in der er die Darlegung von Jens Rabe entspannt kontert.
Natürlich muss ich hier nun auch noch meinen Senf dazu geben. Tat er dies zu Recht? Es wird Dich vielleicht überraschen, aber ich muss Jens Rabe sogar teilweise zustimmen. Wieso? Die Antwort findest Du in diesem kleinen Artikel.
Überblick
Darum funktioniert Buy & Hold nicht – Jens Rabe
Wie lautet nun die These von Jens Rabe? Wie kommt er zu seiner Aussage, also: warum funktioniert Buy & Hold nicht, Jens Rabe?
Zunächst einmal bestreitet Jens Rabe gar nicht, dass Buy & Hold, wenn konsequent durchgehalten, zu einer guten Performance führt.
War der Titel also nur Clickbait? Sagt Jens Rabe dann also selbst, dass Buy & Hold doch funktioniert?
Nein. Aktienfonds wie ein ETF auf den MSCI World, den Nasdaq 100 oder gar der Ark Innovation Fonds von Cathy Woods sind sehr volatil.
Zuletzt mussten Anleger hier Verluste im zweistelligen Prozentbereich erleiden und er fragt, wie ich finde, zurecht, ob Anleger sich damit wohlfühlen.
Das ist ja auch meine Rede und ich weise auch immer wieder darauf hin, dass solche und weitaus höhere temporäre Verluste jederzeit möglich sind.
Er fragt weiter, ob Buy and Hold wirklich das einzige ist was funktioniert und setzt dann sofort nach: „Was wäre denn, wenn es eine bessere Methode gäbe?“
Er denkt, Du könntest doch einfach rechtzeitig aus dem Markt aussteigen und dann im Crash entspannt an der Seitenlinie stehen und erst wieder einsteigen, wenn es wieder hoch geht. Bei ihm hätte das zuletzt gut geklappt.
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Mathematisch ist für Rabe Buy and Hold richtig und funktioniert. Es funktioniert nur theoretisch, aber in der Praxis eher nicht, denn da ist ja der Faktor Mensch, der gerne übersehen wird.
Insbesondere mit viel Geld, hält er eine , Timing-basierte Herangehensweise für besser, weil hier natürlich große Beträge in Bewegung sind.
Wenn Dein Depotstand dann um fünf- bis sechsstellige Beträge sinkt, wirst Du es nicht aushalten und vielleicht doch panisch verkaufen, nimmt er an.
Auch das klingt wieder ganz wie meine Rede in den letzten Artikeln, z.B. zum Thema Angst essen Depot auf.
Rabe meint, selbst wenn Du Dir das vorher fest vorgenommen hast, wirst Du es vielleicht nicht schaffen. Er vergleicht die Situation mit Deinen Neujahrsvorsätzen, die Du noch nicht mal hältst. Wie soll das dann erst mit hohen Buchwertverlusten funktionieren?
Am Ende kommt natürlich noch der obligatorische Verkaufspitch, denn Jens Rabe ist eben auch Unternehmer. Für mich natürlich ein Hinweis auf einen bestehenden Interessenkonflikt. Positiver formuliert könnte man sagen, er zeigt wie es besser geht: mit seiner professionellen Hilfe.
Hier musst Du ihm dann wohl aber einfach vertrauen. Mir fällt das schwer.
Wenn Du Dir selbst ein Bild von Jens Rabes Argumenten machen möchtest, findest Du das Video hier:
Die Reaktion auf Jens Rabe: Torsten Tiedt
Zunächst einmal vielen Dank an Aktienfinder Torsten Tiedt, dessen Reaktion auf Jens Rabes YouTube-Video „Darum funktioniert Buy & Hold nicht“ sehr schnell erfolgte.
Torsten Tiedt, selbst eher ein aktiver Stockpicker, meldete sich ebenfalls via YouTube zu Wort und kommentierte das Video von Jens Rabe Schritt für Schritt.
Der erste Kritikpunkt betrifft einmal ganz generell, dass Jens Rabe nicht auf die Kosten und steuerliche Auswirkungen eingeht, die durch Timing-Strategien entstehen. Selbst wenn die Kosten aufgrund des Brokers bei null angesetzt werden, wird bei der Veräußerung von Aktienwerten als Privatanleger die Abgeltungssteuer ans Finanzamt fällig.
Autsch. So richtig kostenneutral aussteigen aus dem Markt ist nicht – zumindest, wenn Du Dein Geld nicht im Rahmen einer eigenen vermögensverwaltenden GmbH anlegst. Das ist schon einmal der erste Wermutstropfen und muss mit einer krassen Outperformance erst einmal wettgemacht werden.
Du hast hier also ein ähnliches Problem, wie teurer Aktienfonds, der gegenüber einem günstigen Index-ETF erst einmal die Kosten wieder aufholen muss.
Kritisch sieht der Aktienfinder auch die Testimonials von Kunden via eingeblendeten Facebook-Screenshots – und da stimme ich ihm uneingeschränkt zu.
Auch die Nutzung von Suggestivfragen wie „Wie würdest Du Dich dabei fühlen, wenn Du die ganzen Rückgänge nicht mehr mitmachen würdest“, sieht er kritisch.
In Verkaufsgesprächen der Finanzindustrie werden sie gerne eingesetzt, um das Gegenüber empfänglicher für die eigene Botschaft zu machen. Persönlich kenne ich sie schon von AWD-Schulungen als Schüler im letzten Jahrtausend.
Richtig auf die Palme bringt ihn aber anscheinend Rabes Argument, dass Buy and Hold zwar mit kleinen Sparanlagen funktionieren möge, aber nicht mit richtigem Geld. „Das fühlt sich einfach nicht mehr gut an!“, so Rabe.
Rabe zeigt dann einen Chart mit allen Börsencrashs der vergangenen Dekaden mit Rückgängen von 20, 30, 40 oder sogar 50% und mehr. Langfristig geht es schon nach oben und „Klar, hätte es sich gelohnt dabei zu bleiben.“ Darauf springt Tiedt natürlich an: „Eigentlich funktioniert Buy and Hold.“
Das Problem sieht Rabe eben, wie gesagt, bei Dir. Er argumentiert damit, dass es Dir schwerer fallen wird, mit massiven Rücksetzern umzugehen, wenn Dein Depot erst einmal groß geworden ist.
Hier widerspricht Aktienfinder Tiedt Rabe vehement, denn es kann ja auch anders sein. Gerade wenn Du wenig hast, kann es Dich mehr schmerzen, wenn Du Geld verlierst.
Jetzt, wo Dein Vermögen noch gering ist, beeindrucken Dich auch sicher die großen Summen, die Rabe nennt. Da wirken Verluste in dieser Größenordnung besonders bedrohlich.
„Hunderttausende verlieren? Rabe hat recht. Buy and Hold funktioniert nicht.“, könntest Du nun denken.
Doch auch mit größeren Summen, so Tiedt, musst Du prozentual denken, um erfolgreich zu sein. Es kann ja nicht sein, dass Du jedes Mal, wenn es am Aktienmarkt etwas nach unten geht, einen Rappel kriegst.
Außerdem ist Dein Vermögen ja wahrscheinlich mit der Zeit gewachsen und Du hast Dich in dieser Zeit sehr wahrscheinlich an die Schwankungen der Börse gewöhnt.
Das Argument, wozu Tiedt auch Zitate von anderen Finanzbloggern zu Rate zieht, greift für ihn nicht: bis ein Anleger ein großes Portfolio aufgebaut hat, wurde er doch sicher durch mehrere Crashs und Bärenmärkte soweit gestählt, dass ihn diese nicht mehr so leicht beeindrucken.
Und ebenfalls richtig: ich finde es auch schwach, dass Rabe hier als Beispiele neben dem MSCI World, den er nur eingangs kurz erwähnt, vor allem sehr konzentrierte Portfolios wie Ark Innovation Fonds oder einzelne Techaktien nennt, denn Diversifikation gibt Dir ja auch ein hohes Maß an Sicherheit.
Du investierst ja nicht komplett in Ark Innovation oder einer Einzelaktie wie Netflix, erwidert Tiedt. Das Szenario, mit einem solchen Investment viel Geld zu verlieren und in Panik zu geraten, sei doch etwas weit hergeholt.
Abschließend hält Torsten Tiedt noch einmal fest: „Ja, die Methode von Jens Rabe mag funktionieren, wenn Du in der Lage bist, den Markt zu timen.“, doch was, wenn die Märkte unerwartet wieder steigen und Du stehst mit Cash an der Seitenlinie?
Wie sieht es dann mit Deiner emotionalen Stabilität aus? Setzt dann nicht vielleicht FOMO ein, also die Angst etwas zu verpassen?
Das sehenswerte YouTube-Video von Torsten Tiedt gibt es hier:
Wer hat recht? Jens Rabe, Torsten Tiedt, beide oder keiner?
Wo Jens Rabe richtig liegt
Ehrlich gesagt, muss ich Jens Rabe zumindest in einem Punkt rechtgeben. Wenn Du 100% auf Aktien setzt – selbst wenn es der gute alte MSCI World ist – aber erst recht mit Branchen-ETFs bzw. Stock Picking mit wenigen Aktien, dann gilt: Buy and Hold überfordert viele Anleger emotional.
An dem Punkt muss ich Torsten Tiedt dann auch tatsächlich widersprechen. Es ist nicht so weit hergeholt, dass Anleger in konzentrierte Portfolios investieren. Die Online-Foren sind voll mit Fragen von Usern, die gerade einen solchen Ansatz erkennen lassen.
Der Ark Innovation Fonds von Cathy Woods hatte sehr hohe Zuläufe, insbesondere um den bisherigen Höchststand herum, seitdem der Fonds mehr als 50% an Wert verloren hat. Will heißen: die meisten Anleger haben wohl tatsächlich mit dem Fonds Verluste gemacht.
Zudem zeigen ja zahlreiche Studien ganz gut: viele Privatanleger steigen halt doch im Crash aus. In meinem Artikel über die Renditelücke hatte ich darüber geschrieben.
Aber, – und das muss man ganz klar sagen – für mich ist das kein Fehler von Buy and Hold, sondern ein Fehler der Anleger. Für Buy and Hold braucht es einfach bestimmte Voraussetzungen:
Du brauchst einen Plan, eine Strategie, die zu Deiner Risikotoleranz passt, sowie ein geeignetes Portfolio. Außerdem solltest Du währenddessen an Deinem Mind-Set und natürlich auch Deiner Finanzbildung arbeiten.
Ganz so passiv ist Buy & Hold also auch wieder nicht und Fehler dabei können sich fatal auswirken.
Ebenso stimme ich Torsten Tiedt nur bedingt zu, dass Volatilität Anleger mit einem großen Portfolio nicht mehr so beeindruckt, weil sie in der Zeit, in der sie ihr großes Portfolio aufgebaut haben, dabei gestählt wurden.
Es gibt ja doch auch viele Anleger, die – ob nun durch Erbschaft, Unternehmensveräußerung oder Immobilienverkauf, et. – gleich mit einem größeren Anlagebetrag starten. Insbesondere hier halte ich Rabes Argumentation schon für gültig.
Natürlich kann es dann besonders bedrohlich wirken, wenn es direkt nach Depotstart zu einem großen Crash mit entsprechendem Buchwertverlust kommt.
Rabes Argument im Stile „Hast Du ein kleines Depot, kannst Du das jetzt nicht einschätzen.“, ist für mich aber auch nicht ganz schlüssig vorgetragen. Den Vergleich mit Warren Buffet lässt er ja auch nicht zu, weil der Milliardär ist. Bist Du reich wie Warren Buffet, zählt Geld also nicht mehr für Dich und daher machen Dir Verluste nichts mehr aus?
Ja, was denn nun? Mit zu wenig Geld, kannst Du es nicht beurteilen, wenn Du so zwischendrin liegst, hast Du Angst vor Verlusten, aber wenn Du dann verdammt viel hast, ist Dir Geld nicht mehr so wichtig? Da kann ich geistig nicht mehr folgen…
Wo ich anderer Meinung bin
Market Timing ist nicht die Lösung
Ob Jens Rabes Ansatz wirklich das richtige Gegenmittel ist? Ich habe da auch meine Zweifel und sehe das prinzipiell wie Tiedt eher kritisch.
Wo ich einfach widersprechen muss ist: Market Timing ist nicht die Lösung. Das lässt sich einfach nicht belegen.
Wenn ich sage, Buy and Hold überfordert DiY-Privatanleger, dann muss ich ganz klar sagen: Market Timing überfordert sie doch noch viel mehr.
Hilft es Ihnen denn, wenn sie sich statt mit einem 100% Aktien-Portfolio als Buy and Hold-Anleger nun mit Market Timing (am besten noch mit einer Prise Optionen) versuchen? Hell, no.
Dann wird ja quasi der Teufel mit dem noch größeren Belzebub ausgetrieben. Ja. Mit Market Timing kann ich ggf. Risiken beschränken, aber das geht dann in der Regel auf Kosten der Rendite.
Außerdem muss ich dafür dann wirklich einen sehr kühlen Kopf bewahren und richtig abgezockt sein. Market Timing ist doch emotional noch viel anspruchsvoller als Buy & Hold. Es klingt so leicht: aussteigen, bevor die Kurse fallen und einsteigen, wenn sie wieder anfangen zu steigen.
Das erfordert sehr diszipliniertes, regelbasiertes Verhalten, welches in vielen Situationen dem widerspricht, was Du fühlst.
Du steigst aus, weil Dir Dein System sagt, es ist Zeit, während vielleicht gerade noch Euphorie herrscht an der Börse. Das System sagt, Du sollst einsteigen, während die größte Panik um sich greift. Mal geht das gut, mal geht das weniger gut.
Ob Du Dich damit dann wirklich gut fühlst, vor allem wenn es anders kommt als vorhergesagt? Denn eines ist auch sicher: verlässlich voraussagen, was an den Börsen passiert, kann niemand.
Da besteht doch gerade die allergrößte Gefahr, dass Du in die Ich-halte-es-nicht-mehr-aus-Strategie verfällst und auch über das anschließende Problem mit der Ich-steige-ein-wenn-die-Kurse-wieder-steigen-Strategie, habe ich hier vor kurzem geschrieben.
Regelbasiertes Market-Timing, kann Risiken beschränken, aber ob sich ein DiY-Anleger immer an das Regelwerk hält. Daran scheitern selbst professionelle Marktteilnehmer.
Im Unterschied zu einem Buy and Hold-Ansatz, wo ich zwar gute Vorbereitungen brauche, dann aber nur die Füße stillhalten muss, muss ich bei Market Timing ja richtig aktiv sein. Das heißt, ich gewöhne mich daran, viel zu tun und zu handeln – und meine Emotionen sind dann ja auch immer mit dabei.
Die entscheidende Frage lautet also: ist es einfacher, Deinen Emotionen zu widerstehen und einfach weiterhin nichts zu tun oder in einer Situation, in der Du viel handeln musst, dafür zu sorgen, dass die Emotionen Deine Handlungen nicht beeinflussen?
Gerade wenn ich dann noch zusätzlich auf Optionen setze, kann es in Krisensituationen richtig spannend werden. Kurzum: Market Timing ist, wenn, nur etwas für Profis und selbst dann kann es gewaltig schiefgehen.
Die Frage des Risikopotentials
Wie gesagt, für mich ist Market Timing in erster Linie ein Mittel, um das Risiko zu minimieren und nicht für die Renditemaximierung. Das ist ja auch das Argument von Jens Rabe.
Die erste Frage, die ich mir als Anleger aber stellen sollte lautet: wie viel Risiko bin ich als Anleger bereit auszuhalten und wie viel muss ich denn eigentlich aushalten?
Gerade den zweiten Teil der Frage ignorieren viele. Das hat auch etwas damit zu tun, was meine Ziele sind. Welches finanzielle Ziel will ich erreichen und welche Rendite brauche ich dafür.
Die eine Seite ist die Frage: habe ich eine niedrige oder hohe Risikotoleranz? Die andere Seite ist die Frage: muss ich überhaupt ein hohes Risiko eingehen, um mein Ziel zu erreichen? Vielleicht kann ich es ja auch entspannter angehen lassen.
Die Konsequenz die ich als Privatanleger daraus ziehen sollte ist jedenfalls nicht, dass ich Buy and Hold aufgeben muss, nur weil Buy and Hold mittels konzentrierten Tech-Portfolios dem einen oder anderen – vermutlich den meisten – auf Dauer zu riskant wird.
Der Punkt ist für mich einfach: für Buy and Hold brauche ich ein gut konstruiertes Portfolio, dass zu meiner persönliche Situation – insbesondere meiner Risikotoleranz – passen muss. Es darf mein Risikobedürfnis nicht überstrapazieren und ich muss auch nicht unbedingt unnötige Risiken eingehen.
Anleger sind einfach sehr unterschiedlich und das muss berücksichtigt werden.
Das Argument von Jens Rabe: Buy and Hold funktioniert nicht, weil Du es nicht aushältst, ist für mich daher ein Strohmann-Argument. Ja, falsch praktiziertes Buy and Hold funktioniert nicht.
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Die Antwort darauf sollte dann nicht lauten: lass Buy and Hold und mach stattdessen Market Timing. Sie sollte lauten: mach Buy and Hold, aber bitte richtig!
Was ist ein geeignetes Buy and Hold-Portfolio?
Für den einen ist ein Investment in eine einzelne Aktie oder ein konzentriertes Tech-Portfolio vielleicht das Richtige. Sehr wahrscheinlich gilt das aber nicht für viele Leute und ich würde das wegen des hohen Risikos auch niemandem raten.
Für manche ist vielleicht ein wetterfestes 100%-Aktienportfolio okay. Breit diversifiziert über unterschiedliche Regionen und Anlageklassen mit tausenden von Aktien haben viele erfahrene Investoren mit einem MSCI ACWI- oder einen FTSE All World-ETF (zurecht) wenig Sorge, dass sich so ein Portfolio auch nach einem 50%-Crash nicht mehr erholt.
Anderen ist das aber noch zu viel Risiko. Ein deutlich weniger aggressives Portfolio für Buy and Hold mit 50%/50% Aktien-Anleihen ist zwar nicht sexy, kann aber die Lösung sein. Das geht ja bei einem 50% Crash der Aktienwerte sehr wahrscheinlich keine 50% nach unten, sondern Du solltest dann mit ~ 25% rechnen.
Manche halten auch das nicht aus. Entsprechend gibt es auch super passive Portfolios mit 90% Anleihen und 10% Aktien.
Wieder andere halten selbst 1% an Wertschwankung nicht aus. Für sie sind Aktien wohl generell nichts. Hier kann es, neben Festgeld, eine Idee sein, zumindest einen Teil des Geldes in Immobilien zu investieren. Das wäre nicht mein bevorzugtes Investment, denn es ist für mich eine zu große Fokussierung von Kapital auf ein einzelnes Investment.
Tatsächlich gibt es hier aber einen emotionalen Vorteil. Immobilien schwanken zwar auch im Wert, aber das bekommen die wenigsten mit. Das merkt Du dann ja nur, wenn Du einen Verkauf planst oder den Marktwert bestimmen lässt.
Du kannst Dir nicht täglich im Online-Banking den Wert Deiner Immobilie ansehen. Gehst Du am Haus vorbei, kannst Du Dich auch immer vergewissern, dass es noch steht. Das beruhigt.
Kurzum, Anleger sind sehr unterschiedlich und haben unterschiedliche Risikotoleranzen. Jens Rabe spricht das sehr geschickt an, indem er einfach die riskanteste Art herausgreift, ein hochkonzentriertes Aktienportfolio, und dies als Angstszenario für seine Argumentation nützt.
Seinen betreuten Market-Timing-Ansatz präsentiert er dann als die Lösung dieses Problems. Doch ist das wirklich eine Lösung für jedermann / jederfrau?
Optionen
Seltsam finde ich insbesondere den Verweis auf die rezente Performance aus dem Kundenfeedback am Ende von Rabes Video.
Diese setzt sich, laut der Angaben im Video, ja nicht nur durch reines Timing, sondern auch durch Optionen zusammen. Da bewegen wir und dann aber doch in einem recht spekulativen Bereich.
Gerade dann ist dies ja nun wirklich – vorausgesetzt die Angaben stimmen – eine Momentaufnahme sowie ein Apfel-Birnen-Vergleich.
Vergangene Performance, insbesondere von einem sehr kurzen Zeitraum, ist niemals ein verlässlicher Indikator für zukünftige Performance, erst recht nicht bei einem aktiven und recht spekulativen Ansatz unter Verwendung von Optionen.
Wen man den relativ passiven Buy and Hold-Ansatz als gefährlich betrachtet, weil hier der Anleger die größte Gefahr darstellt, sollte man dann nicht erst recht Optionen als eine Gefahr betrachten.
Damit können DiY-Privatanleger ja noch sehr viel mehr Schaden anrichten.
Fazit – Darum funktioniert Buy & Hold nicht – oder doch?
Jens Rabe argumentiert in seinem Video-Beitrag „Darum funktioniert Buy & Hold nicht“ eigentlich als Don Quijote auf verlorenem Posten. Es ist einfach zu gut bekannt, dass Buy and Hold funktioniert.
Er muss dann ja auch selbst zugeben, dass Buy and Hold mathematisch funktioniert und er argumentiert daher, dass es aufgrund der Anlegerpsychologie für die meisten Anleger dann leider doch nicht klappt.
Den Beweis, dass stattdessen nun aber ausgerechnet ein aktiver Ansatz für DiY-Anleger besser sein soll, bleibt er schuldig.
Wenn Buy and Hold den Privatanlegern emotional zu viel abverlangt, dann muss dies ja in noch größerem Maße für Market Timing gelten.
Klar kann man fragen: Wie fühlt sich ein Anleger, wenn der Wert des Portfolios bei Buy and Hold plötzlich 50% an Wert verliert?
Dann muss man umgekehrt aber auch fragen: Wie fühlt sich ein Anleger, wenn die scheinbar sichere Timing-Methode versagt und das Portfolio trotzdem einen Crash erlegt? Oder: Wie fühlt sich ein Anleger, wenn er aus dem Markt raus ist, weil er vermutlich sinkt und dann zusehen muss, wie die Kurse munter weitersteigen?
Ja. Aktien unterliegen Schwankungen und das verträgt nicht jeder gleich gut. Anleger reagieren da verschieden und haben eine unterschiedliche Risikotoleranz.
Natürlich ist Buy and Hold schwer, wenn das Portfolio sehr konzentriert ist und nicht zur Risikotoleranz des Anlegers passt.
Um Buy and Hold praktizieren zu können, braucht es einen Plan, eine Strategie und das Portfolio muss gut konstruiert sein sowie einfach zum Anleger und dessen Risikotoleranz passen.
Dann ist das eine deutlich leichtere Angelegenheit, als ein aktiver Ansatz mit Market Timing, bei dem zum (hoffentlich) richtigen Zeitpunkt verkauft und gekauft werden muss.
Was nicht fair ist, ist falsch praktiziertes Buy and Hold mit einem idealisiert erfolgreichen Market Timing-Ansatz zu vergleichen.
Dann doch bitte Market Timing-Versuche die schiefgehen mit schlechtem Buy and Hold vergleichen. Tatsächlich sind die beiden sogar quasi identisch, denn schlecht gemachtes Buy and Hold ist am Ende des Tages ja eben gerade das: Market Timing, bzw. der Versuch, zu verkaufen, bevor die Kurse weiter fallen.
Eines ist es für mein Empfinden jedenfalls nicht: „ein einfacherer Weg, wie Du an der Börse Geld verdienen kannst.
Das ist für mein Empfinden wirklich nichts für den Hausgebrauch für jedermann, insbesondere dann nicht, wenn zusätzlich noch Optionen als Renditekick zum Einsatz kommen.
Kurzum: einfacher scheint mir der Ansatz nicht zu sein, denn es braucht doch einiges an Aufwand, verursacht Kosten in der Ausführung sowie für die Betreuung und ist emotional nicht weniger herausfordernd. Meiner Meinung nach ist damit rein gar nichts gewonnen, im Gegenteil.
Hinzu kommt der erwähnte Interessenskonflikt, den Jens Rabe immerhin gleich transparent macht. Mit dem Verkaufspitch am Ende wäre es aber auch so jedem klar geworden, dass es sich hier um ein Werbevideo handelt.
Was zudem recht erstaunlich ist: er macht zwar klar, dass er meint, eine bessere Lösung zu haben. Wie sieht diese bessere Lösung aber genau aus? Das bleibt am Ende aber – abgesehen von aussteigen vor dem Crash und wieder einsteigen nach dem Crash – für mich nebulös.
Ach ja, Jens Rabe sagt am Ende, ich soll auf meine Depotsumme schauen und wenn da nicht eine sechsstellige Summe steht, rede ich mir bei Buy and Hold was ein. Puh. Der Blick auf unseren Depotstand bestätigt: ne, Buy & Hold funktioniert doch.
Buy and Hold und Du
Was hältst Du von Buy and Hold? Hast Du die Videos von Jens Rabe und Torsten Tiedt gesehen? Wer hat Dich überzeugt? Bist Du Team Market Timing oder Buy and Hold? Oder gehst Du einen ganz anderen Weg? Habe ich etwas falsch verstanden oder stehe irgendwo auf dem Schlauch? Schreib mir Deine Meinung.
Übrigens, bis zum 15.2 läuft hier noch meine Schnellumfrage zum Thema Crash – alles nur heiße Luft? Mach doch gerne mit. [Edit: die Umfrage ist natürlich mittlerweile beendet.]
Kennst Du eigentlich schon meinen Instagram oder Facebook-Auftritt? Wenn Dir meine Artikel gefallen, würde es mich sehr freuen, wenn Du mir ein like dalässt oder den Artikel kommentierst. Vielen Dank!
Vielleicht hast Du ja auch eine Frage, eine Anmerkung oder sogar einen Fehler im Artikel gefunden, den ich dringend beseitigen sollte? Auch inhaltliche Kritik ist willkommen, denn so lerne ich auch etwas dazu.
Auf Deine Fragen, Kommentare und Anregungen freue ich mich bereits!
Wenn Du Dich ganz generell fragst, wie Du in ETFs einsteigen sollst: hier meine Kurzanleitung für den Einstieg.
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Darum funktioniert Buy & Hold nicht? Von wegen. Mit einem wetterfesten Portfolio funktoniert Buy and Hold. Was tue ich, wenn meine Aktien-ETFs – egal ob Tech-Stocks oder breiter Index – stark sinken? Nichts. Ich schichte höchstens etwas von meinen weniger risikobehafteten Rücklagen in Aktien um. Ansonsten lege ich weiter regelmäßig an – aber vorwiegend in ETFs an und kaufe kontinuierlich nach. Suchst Du einen guten Broker fürs ETF-Sparen? Warum nicht Scalable Capital ausprobieren? Dort kannst Du jetzt bis zum 31.3.2022 200.000€ Startkapital und doppelten Sparplan gewinnen, wenn Du Dich bis zum 28.2.2022 bei Scalable Capital anmeldest.
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Interessante Punkte! Wenn man nichts besseres zu tun hat, kann man ja einen Selbstversuch machen: man zweige einen kleinen und unkritischen Teil seiner Anlagen (sagen wir mal 10%) auf ein separates(!) Depot ab, und trade damit wie Bauch, Kopf, oder heiße Tipps aus einem Internetforum es einem sagt. Der Rest, also fast alles, wird einfach strukturiert und breit gestreut angelegt. Dann kann man versuchen, seinen eigenen Benchmark zu schlagen. Wer nach einem Drawdown von 10, 20, 30% (da muss man nicht lang warten) immer noch der Ansicht ist, dass Geld und eigene Zeit gut investiert sind, der kann ja gern weiter machen. Ich denke, das ist eine gute Selbsterfahrung, und meine das nicht als Scherz. Interessant dürfte auch sein, sich den Stundenlohn für die Mühe auszurechnen.
10% meines Kapitals verzocken? Kreisch. ;)
Spaß beiseite. Tatsächlich ist das Problem daran ja sogar, dass das eine Zeitlang richtig gut gehen kann. In einem Bullenmarkt auf die Hypeaktien zu setzen funktioniert doch ganz gut und vielleicht schlägt man so sogar die Benchmark 1, 2 oder auch ein paar Jahre lang. Wie das Ganze dann langfristig aussieht, ist halt wieder eine andere Sachen...
Außerdem setzt es wirklich voraus, dass man die Rendite tatsächlich trackt. Das machen ja wenige. Ich habe einen Freund, der war auch der Meinung, dass er den MSCI Wolrd outperformed. Wir haben uns hingesetzt und das mal für 1 Jahr angeschaut. Er war nah dran, aber trotzdem darunter. Wenn die Entwicklung insgesamt positiv ist und einzelne Werte sehr gut laufen, täuscht man sich da einfach sehr leicht.
Moin Rolf,
zum Thema vielleicht interessant:
https://assets.traderepublic.com/assets/files/202202_DIW_study_motives_and_behavior_new_generation_of_investors.pdf
Analyse von 200k Trade Republic Usern:
„ Long-term oriented investors have realized higher annualized returns than investors who are focused on short-term gains (median annualized returns of 8.7% vs. 2.0%)“
Rabe-Style Anleger liegen 6,7% hinten 😂
LG Joerg
Hallo Joerg, Danke! Hatte ich auch schon gelesen.
Ja, man sieht das ja eigentlich auch im eigenen Depot sehr schön. Die ETFs, die man schon lange hält, sind einfach ziemlich solide im Plus. Da müsste schon viel passieren, dass sie mal ins Minus rauschen.
Viele Grüße, Rolf
Das Hauptproblem dürfte wirklich an der Abgeltungssteuer liegen.
Es gibt ja Strategien wie eine simple 200-Tage-Linie zum Ein- oder Ausstieg oder das Dual Momentum von Gary Antonacci.
Damit wird ein deutlich geringerer Drawdown im Vergleich zu buy-and-hold bei ähnlicher Rendite - darum scheint es hier ja zu gehen - erreicht. (Womit es theoretisch wiederum sogar möglich wäre, das Portfolio stärker zu hebeln.)
Ja. Wenn man Market Timing verwenden will, was ich gar nicht kategorisch ausschließen würde als Mittel zur Diversifikation und zur Risikominimierung, dann würde ich das über einen Fonds abbilden, der einem regelbasierten System folgt, z.B. Trend Following. Da sollte man aber keine Illusionen haben, damit die Rendite erhöhen zu können. Ein Fonds, der solches Market Timing betreibt, wird sehr wahrscheinlich eine niedrigere Rendite haben, sich dafür aber anders entwickeln als die anderen Assets. In manchen Zeiten läuft es damit besser, in anderen wird es richtig weh tun. Das ist schwer vorhersagbar und es braucht dann auch Vertrauen in die Fondsmanager.
Solche Fonds werden in Schwächephasen dann auch gerne mal geschlossen, was wieder steuerliche Probleme mit sich bringen kann. Wenn ich das richtig sehe, hat sich Herr Rabe ja auch als Fondsmanager des OSPI Investorenfonds (ISIN DE000A2PF0V5, WKN A2PF0V) versucht. Ausgabeaufschlag von 3%, laufende Gebühren von 1,5%, Performancegebühr von 15% - nicht gerade günstig. Demgegenüber steht eine Performance, die auf mich auch nicht wirklich überzeugend aussieht. Der MSCI World lag im Vergleich jedenfalls deutlich vorne. Mit einfachem Buy and Hold auf den MSCI World wäre man also besser gefahren. Der Fonds lief aber anscheinend nur von 9/2019 bis Januar 2021, zumindest finde ich keine Chart die darüber hinausgeht und auf Hansa Invest wird er nicht mehr aufgeführt.
Sagen wir es so: erfolgreiche Fonds werden normalerweise ja eher nicht eingestellt, auch wenn man fairnesshalber sagen muss, dass der Fonds keine 2 Jahre lief, was echt eine kurze Zeit ist. Trotzdem bleibt uns Jens Rabe noch eine objektiv überprüfbare Antwort schuldig, ob sein System wirklich besser funktioniert.