Im letzten Teil dieser Artikelserie zu den 4 falschen Vorstellungen über Investments, geht es um die Vorstellung “Bei Aktien muss man auf den richtigen Zeitpunkt warten”. Hier noch einmal die 4 falschen Vorstellungen im Überblick.
- In Aktien zu investieren ist nur etwas für Reiche.
- Aktien sind nur etwas für Finanzprofis.
- Aktien sind etwas für Zocker.
- Bei Aktien muss man auf den richtigen Zeitpunkt warten.
Wenn es stimmt, dass Aktien nicht nur etwas für Reiche sind, für Finanzprofis oder für Zocker, wie sieht es dann damit aus: Aktien schwanken doch im Wert. Also tatsächlich, bei Aktien muss man auf den richtigen Zeitpunkt warten, oder?
Klar. Kaufst Du Aktien immer zum richtigen Zeitpunkt, dann ist das eine tolle Sache. Die Frage ist allerdings: wann ist der richtige Zeitpunkt? Wenn die Aktien noch niedrig stehen, wenn sie gar im Wert sinken oder wenn sie steigen?
Überblick
Wann ist der richtige Zeitpunkt, um Aktien zu kaufen?
Aktien kaufen, wenn sie im Wert noch niedrig sind?
Klar. Am besten steigt man bei einer Aktie ein, bevor sie steigt.
Mit den FAANG-Aktien wie Facebook, Amazon, Apple, Netflix und Google ließen sich tolle Gewinnen einfahren und das Geld vervielfachen.
Damit sie einen zum Millionär machen, ist es natürlich vorteilhaft einzusteigen, wenn das Unternehmen noch klein und unbekannt ist
Dumm nur, dass man im Vorfeld leider nicht weiß, welche Unternehmen und Aktien es sind, die eine solche Entwicklung hinlegen.
Wäre dem Apple-Mitgründer Ronald Wayne klar gewesen, dass Apple sich so entwickeln würde, wie es das tat, hätte er sicher anders gehandelt.
1976 hatte er gemeinsam mit Steve Jobbs und Steve Wozniak Apple Computer gegründet. Seine 10%-Beteiligung im damaligen Wert von 800 US$ verkaufte er aber sehr schnell wieder, da er das Risiko scheute. Heute wären diese Anteile mehr als 200 Milliarden US$ wert.
Hätte er die Anteile doch bloß nicht verkauft. Hätte, Fahrradkette. Es gibt kein Risiko in der Vergangenheit und rückblickend weiß jeder, was richtig gewesen wäre.
Es gibt eben tausende und abertausende von Startups und IPOs bzw. Börstenstarts von Aktienunternehmen, bei denen die Geschichte anders geendet hat.
Mehr als 60% von 7.000 IPOs im Zeitraum von 1975 bis 2011 lieferten den Anlegern in einem Fünfjahres-Zeitraum laut CNBC negative Renditen.
Fast die Hälfte aller IPOs erfahren innerhalb von 5 Jahren ein Delisting. Das heißt, sie werden dauerhaft vom Handel an einem bestimmten Markt ausgeschlossen und die Unternehmen, müssen sich wieder von der Börse zurückziehen. Nicht selten geht das mit einer Insolvenz einher.
Bei der Geldanlage auf einzelne, kleine Unternehmen zu setzen, die im Wert noch niedrig sind, ist riskant. Es droht der Totalverlust.
Aktien kaufen, wenn sie im Wert sinken?
Okay. Es ist nicht möglich, das zukünftige Amazon, Facebook oder Apple treffsicher auszuwählen. Aber warum nicht einfach auf bewährte Aktien setzen?
Du könntest ja ganz einfach abwarten und sie dann kaufen, wenn Sie im Wert gesunken sind? Du kaufst sie einfach zum Tiefstand. Im Einkauf liegt der Gewinn.
Klar. Das kannst Du versuchen. Allerdings gibt es da gleich mehrere Probleme.
Wo ist der Tiefstand genau? Du kennst ja immer nur den vergangenen Verlauf der Kurswerte und nicht den zukünftigen.
Da Aktien die meiste Zeit über steigen, ist es nicht ungewöhnlich, dass immer wieder Höchstwerte erreicht werden. Auch die Inflation leistet ja ihren Beitrag dazu, dass Preise tendenziell steigen.
Vielen sind die Einstiegskurse dann aber zu hoch und sie möchten lieber warten, bis die Kurse wieder fallen. Doch das kann dauern.
Und wenn dann der Crash kommt, kann es gut sein, dass die neuen „günstigen“ Einstiegskurse weit über den heutigen „teuren“ Höchstständen notieren.
Aber nehmen wir einmal an, die Aktie deiner Wahl ist gerade um 50% im Wert gefallen. Das alleine ist noch keine Garantie, dass der Wert nicht noch weitere 50% fallen kann.
Oft hat es eben auch einen Grund, wenn Unternehmen in Schieflage geraten und die Sache ist gar nicht so ungefährlich.
Ich kann mich noch erinnern, dass am Anfang viele Anleger bei neuen Anschuldigungen gegen Wirecard Einstiegskurse witterten und beherzt nachkauften. Der Ausgang ist bekannt und mit 0,34€ liegt der Kurswert aktuell doch recht weit von den einstigen „Einstiegskursen“ von -50% um die 90 Euro-Marke herum entfernt.
Auch große Unternehmen und Marken sind davon nicht gefeit. Chrysler hat es ebenso erwischt wie Enron, General Motors, Washington Mutual, Lehman Brothers oder NOKIA.
Auch wenn der Kurswertverfall nicht direkt mit dem Unternehmen zu tun hat und dieser vielleicht nur im Rahmen eines allgemeinen Crashs am Aktienmarkt erfolgt ist, bleibt es ungewiss, wo der Tiefpunkt ist.
Bei jedem Crash gibt es Leute, die im Verlauf des Crashs aussteigen – oft in der Nähe des Tiefpunktes – und dann auch eine günstige Wiedereinstiegsgelegenheit warten.
Doch wann ist die gegeben? Fast immer wird dieser verpasst. Entweder vermutet man einen weiteren Crash, ist skeptisch, dass der Markt jetzt tatsächlich dreht oder hofft auf einen erneuten Rücksetzer, weil man nicht mit Verlust wieder einsteigen möchte.
Selbst wenn Du erkennst, dass die Aktien gerade sinken und Du hast Geld parat, dass Du gerne in einen breiten ETF investieren möchtest, traust Du Dich das wirklich in einen fallenden Markt zu investieren?
Viele tun das nicht und warten lieber ab. Oft ist die Chance dann vertan. Denk einmal an den Corona-Crash im Februar 2020.
Die meisten Anleger*innen waren der Meinung, dass der Boden noch nicht erreicht ist und das dicke Ende noch kommt
In einer derart aufgeheizten Stimmung braucht es schon sehr viel Mut mit einem größeren Betrag einzusteigen.
Selbst heute, nachdem sich die Kurse nicht nur erholt haben, sondern viele Index deutlich höher notieren, gibt es immer noch warnende Stimmen.
Natürlich kannst Du mit Market Timing Glück haben und den Markt schlagen, aber die Wahrscheinlichkeit ist nicht sehr groß. Es ist viel wahrscheinlicher, dass es schief geht.
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Aktien kaufen, die einen hohen Wert haben oder im Wert steigen?
Na gut, magst Du Dir denken. Dann kaufe ich einfach nur die großen Aktien, die bereits einen hohen Wert haben. Ich setzte auf Aktien, die beständig im Wert gestiegen sind wie die FAANG-Aktien.
Das sind die großen Unternehmen Facebook, Amazon, Apple Netflix und Google, die den Markt bestimmen.
Auch das funktioniert so leider vermutlich nicht. Genau kann ich es leider nicht sagen, da es die Zukunft betrifft, aber die Vermutung liegt nahe.
Was in der Vergangenheit funktioniert hat, sagt leider wenig über die Zukunft aus.
Zum einen ändert es sich mit der Zeit, welche Aktien das Rennen machen und die Märkte dominieren. Mittlerweile sind es eigentlich schon nicht mehr die FAANG-Aktien, sondern GAFAM, die den MSCI World anführen.
Die GAFAM-Aktien, also Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft, machen derzeit knapp 14% des MSCI World-Index aus.
Schon früher gab es die Auffassung, man müsse nur auf die größten und erfolgreichen Werte setzen.
Beliebt waren in den 60er- und 70er-Jahren die Nifty Fifty. Anleger*innen waren der Meinung, dass es nichts anderes braucht als diese 50 Blue Chips-Aktien, die den Markt in diesem Zeitraum dominierten.
Leider setzte sich dieser Trend aber nicht fort und die Nifty Fifty hatten in der Folge – mit einzelnen Ausnahmen – eine sehr durchwachsene Rendite.
Funktioniert die Zukunft also so wie die Vergangenheit, lässt sich vermuten, dass eine Konzentration auf die FAANG-Aktien wohl keine gute Idee ist.
Die Vorschusslorbeeren und Erwartungen sind bereits sehr hoch und im Preis enthalten. Ist die Entwicklung nicht so fantastisch wie vermutet, könnte es Enttäuschungen geben.
Es ist also leider auch keine Alternative, nur auf einzelne Aktien oder eine kleinere Gruppe zu setzen, die in der Vergangenheit gut gelaufen sind.
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Dalbar-Studie zeigt: Market-Timing klappt nicht
Jedes Jahr veröffentlich die Firma Dalbar die sogenannte Dalbar-Studie, die sich dem Anlageverhalten von Privatanleger*innen widmet. Dabei werden die An- und Verkäufe unter die Lupe genommen.
Diese Studie zeigt ein ums andere Mal sehr deutlich, dass Anleger*innen sich in der Regel selbst im Weg stehen.
Unsere Emotionen bewirken, dass wir kaufen, wenn die Kurse hoch sind und verkaufen, wenn sie niedrig sind.
Privatanleger*innen laufen den Märkten daher über 10-Jahreszeiträume hoffnungslos hinterher und liegen dabei teilweise ca. 5% hinter dem S&P 500-Index.
Das soll jetzt allerdings nicht heißen, dass Privatanleger*innen Geld prinzipiell nicht gut anlegen könnten oder dafür auf die Hilfe von Finanzprofis angewiesen wären.
Die letztjährige Dalbar-Studie macht hier Mut und war tatsächlich eine positive Ausnahme, da Anleger*innen ihren Aktienanteil nicht signifikant reduzierten.
Sie blieben zwar auch 2020 durchschnittlich 1,31% hinter dem S&P 500 zurück, dennoch liegen Sie damit schon sehr nahe an diesem beliebten Index.
Am besten wäre es, wenn Privatanleger*innen von vornherein auf kostengünstige Indexfonds bzw. ETFs setzen würden und damit eine langfristige Strategie verfolgen.
Es geht nicht darum, den Markt zu schlagen, denn das schaffen die wenigsten langfristig. Selbst unter den institutionellen Anlegern ist das die Ausnahme.
Sei der Markt – und halte es durch! So schlägst Du die überwältigende Mehrheit der anderen Markteilnehmer.
Viel wichtiger dabei wäre vermutlich aber sogar, denn Wettbewerbsgedanken ganz aufzugeben. Geldanlage ist kein Spiel und es geht ganz einfach darum, eine gute Rendite zu erwirtschaften.
Und doch – bei Aktien muss man auf den richtigen Zeitpunkt warten
Und doch – bei Aktien muss man auf den richtigen Zeitpunkt warten.
Und wann ist er? Na jetzt. Der richtige Zeitpunkt für die Geldanlage ist immer jetzt.
Geht es darum, einen großen Betrag auf einmal anzulegen, ist es statistisch betrachtet auch in der Mehrzahl der Fälle am besten, alles auf einmal zu investieren.
Time in the Market beats timing the Market, als: Zeit im Markt schlägt Market Timing.
Da braucht es aber ein Caveat. Es kann dann natürlich sein, dass direkt nach dem Investment ein Crash erfolgt und den musst Du schultern können, was gar nicht so einfach ist.
Du solltest also niemals Deine eigene Risikotoleranz überschätzen, denn das kann – ganz wörtlich gemeint – sehr teuer werden.
Emotional kann es auch Sinn machen, in mehreren Tranchen über ein halbes Jahr oder Jahr verteilt in den Markt einzusteigen, damit Du Deine Furcht überwindest.
Das ist allerdings nur ein Hilfsmittel, denn ganz ehrlich: was nützt es Dir tatsächlich? Was, wenn der Crash dann direkt nach dem halben Jahr oder Jahr kommt, wenn Du endlich alles Geld im Markt hast.
Auch dann gilt: Du darfst Deine eigene Risikotoleranz nicht überschätzen.
Für die meisten ist es aber ohnehin unerheblich, da sie keine großen Einmalbeträge haben, die Sie anlegen könnten.
Ein automatisierter Sparplan ist da eine wirklich gute Sache. Er nimmt die Emotionen heraus und Du versuchst gar nicht erst zu timen.
Auf diese Weise kaufst Du langfristig zum Durchschnittskostenpreis. Weder gibst Du also zu viel, noch zu wenig aus.
Sinken die Kurse, kaufst Du mit dem gleichen Geld mehr Anteile. Steigen die Kurse, kannst Du Dich über die Wertsteigerung Deines Portfolios freuen.
Wichtig ist dabei, dass Du Dir keine großen Gedanken über die Geldanlage machen musst.
Einmal eingerichtet, läuft der Sparplan einfach – und wie die Dalbar-Studie zeigt, ist es eine gute Idee, wenn Du die eigenen Emotionen und Ideen bei der Geldanlage möglichst heraushältst.
Es gibt also auch beim ETF-Sparplan einen richtigen Zeitpunkt: bei Aktien musst Du auf den richtigen Zeitpunkt warten und der ist dann eben der regelmäßige nächste Ausführungstermin des Sparplans.
Automatisiertes Timing ist, meiner Meinung nach, das beste Timing.
Fazit – 4 falsche Vorstellungen
In dieser kurzen Artikelserie ging es um diese 4 falschen Vorstellungen:
- In Aktien zu investieren ist nur etwas für Reiche.
- Aktien sind nur etwas für Finanzprofis.
- Aktien sind etwas für Zocker.
- Bei Aktien muss man auf den richtigen Zeitpunkt warten.
Weder sind Aktien nur etwas für Reiche, denn mit kostengünstigen ETFs und Indexfonds, stehen Anleger*innen heute alle Möglichkeiten offen, auf die früher nur institutionelle Anleger Zugriff hatten.
Aktien sind auch nicht nur etwas für Finanzprofis, die in der Mehrheit der Fälle – vor Kosten berechnet – den Markt auch nicht schlagen. Das gilt in der Regel erst recht für aktiv gemanagte Finanzprodukte mit hohen Einstiegs- und laufenden Kosten. Das ist der Zeitpunkt auch egal.
Aktien sind auch nicht nur etwas für Zocker. Ja, Du kannst an der Börse zocken und spekulieren, aber das liegt an Dir. Du kannst genauso gut auch langfristig mit soliden Anlagevehikeln wie ETFs und Indexfonds investieren. Du hast die Wahl.
Bei Aktien muss man auf den richtigen Zeitpunkt warten? Von wegen. Genau das wäre – in der Regel – ein großer Fehler. Der Versuch wird einfach fast immer fehlschlagen und das Gegenteil bewirken. Daher sind Sparpläne, meiner Meinung nach, ideal für den Vermögensaufbau, da sie automatisch ablaufen und den Faktor Mensch weitestgehend minimieren.
Ein simpler Investment-Ansatz reicht: nämlich billig, einfach und diversifiziert. Den musst Du dann einfach langfristig durchhalten. Das reicht. Das ist gut am Anfang, aber eigentlich auch sonst.
Den Anfang dieser Artikelserie findest Du hier.
Bei Aktien muss man auf den richtigen Zeitpunkt warten? Oder hältst Du Timing für keine gute Idee? Überzeugt Dich die Dalbar-Studie? Hast Du eine Frage oder etwas einen Fehler gefunden, den ich dringend beseitigen sollte? Das kommt schon einmal vor und dann melde Dich bitte. Auf Deine Fragen, Kommentare und Anregungen freue ich mich bereits! Hinterlasse doch gerne eine kurze Nachricht.
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