Die neue Regierung in Österreich macht’s vor. Wie dem vorläufigen Regierungsprogramm zu entnehmen ist, will man die private Altersvorsorge mit ETFs und Aktien fördern.
Österreich – und insbesondere Wien – ist mir während meines Studiums dort sehr ans Herz gewachsen. Wenn ich die aktuellen Pläne der gerade angelobten Regierung sehe, erfasst das Heimweh nun auch mein Anlegerherz.
Gerade noch träumt der deutsche Finanzminister hierzulande von möglichen Gewinnen durch seine neue Aktiensteuer, die die Grundrente finanzieren soll. Dass es ziemlich unsinnig ist, ausgerechnet die private Altersvorsorge zu erschweren? Geschenkt. Aktionäre sind schließlich alle reich. (Schön wär’s.)
Da kommen aus Österreich nun ganz andere Töne und die türkis-grüne Koalition aus ÖVP und Grünen legt gleich zu Anfang ein schlüssiges Konzept zur Stärkung der privaten Altersvorsorge und Aktionärskultur Österreichs vor.
Überblick
Teilhabe am Kapitalmarkt und private Altersvorsorge stärken
Dieses trägt den Titel „Teilhabe am Kapitalmarkt und private Altersvorsorge stärken“ und findet sich auf S.71 des 326 Seiten umfassenden Regierungsprogramms.
Was man dort liest, sollte einen als langfristig orientierter Buy and Hold-Anleger äußerst optimistisch stimmen. Ob Kapitalertragssteuerbefreiung, Pensions-App, Financial Literacy oder Förderung von grünem Investieren – die Ideen sind vielversprechend.
Behaltefrist: Kommt bald die Kapitalertragsteuerbefreiung?
Für österreichische Anleger könnte bald eine Kapitalertragsteuerbefreiung kommen. Explizit ist davon die Rede, dass eine „Behaltefrist für die Kapitalertragsteuerbefreiung für Kursgewinne bei Wertpapieren und Fondsprodukten“ erarbeitet werden soll.
Darunter ist dann wohl eine Frist zu verstehen, nach deren Ablauf, Anleger/-innen dann voraussichtlich von der Kapitalertragssteuer befreit werden. Von solchen Ideen kann man als Investor in Deutschland nur träumen.
Ein wenig erstaunlich wäre diese Behaltefrist jetzt allerdings auch in Österreich. Schließlich gab es hier zuletzt andere Signale, wurde doch noch zum 1.1.2016 die Kapitalertragssteuer in Österreich von 25 auf 27,5% erhöht. Das macht deutschen Anlegern Mut.
Nach digitalter Steuererklärung nun die PensionsApp?
Auch mit der PensionsApp hat Österreich einiges vor. In punkto Steuererklärung ist Österreich ja schon längst vor uns im 21. Jahrhundert angekommen.
Wir Deutschen können da eigentlich nur davon träumen. Für die meisten österreichischen Angestellten ist die Einkommenssteuererklärung längst eine Sache von wenigen Minuten und ist schnell abgehakt.
Mit der PensionsApp soll nun auch die Altersvorsorge transparent und übersichtlich werden. Geplant ist die „Zusammenführung der drei Säulen“ – also der staatlichen, betrieblichen und privaten Altersvorsorge – in einer App.
So können sich die Bürger/-innen jederzeit schnell einen Überblick über ihre Situation verschaffen und später dann auch die „Risikosteuerung der individuellen Pensionstöpfe“ vornehmen.
Das klingt vielversprechend. Liebe Bundesregierung passt gut acht! So geht Reform der Rentenversicherung. Hier werden Änderungen geplant, die tatsächlich nützlich wären und nicht nur einfach Geschenke an potentielle Wählergruppen verteilen.
Stärkung der Financial Literacy von Jung und Alt
Wahnsinn! Diesen Punkt wünsche ich mir in Deutschland schon lange. Financial Literacy bzw. Finanzwissen (wörtlich finanzielle Alphabetisierung) soll in Österreich zukünftig gezielt vorangetrieben werden.
Meiner Meinung kommt der Punkt in der Ausbildung bisher viel zu kurz. Gerechnet wird in der Schule zwar viel, doch finanzielle Grundbildung ist leider vom Engagement einzelner Lehrer abhängig. In den Lehrplänen sucht man den Begriff wohl vergeblich.
Doch kaum beenden junge Menschen ihre Ausbildung und starten in die Berufstätigkeit, stürzen sich Heere von Werbern und Verkäufern auf sie. Da werden ihnen teure Finanzprodukte (bester Fall) oder überteuerte und für sie unnütze Finanzprodukte (schlechtester, aber leider nicht seltener Fall) verkauft.
Von der Regierung geplante „lebenslange, berufsbegleitende Lehrangebote zum Kapitalmarkt mit privaten Partnern, um gesamtgesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen“ klingt daher für mich sehr sinnvoll.
Diese Initiative zur Förderung von Financial Literacy wird aufmerksam verfolgt. Hoffentlich wird sie Blogs wie diesen zukünftig überflüssig machen. Vielleicht ist ja bald jeder Schulabgänger besser mit diesen Themen vertraut als ich. Schön wär’s.
Förderung ökologischer Investitionen durch Steuerentlastungen
Doch das ist nicht alles. Unter der Überschrift Steuerentlastung findet sich auch noch der folgende Passus zum Thema ökologischer und sozialer Geldanlage:
KESt-Befreiung für ökologische bzw. ethische Investitionen (Ausarbeitung eines Konzepts mit klarem Kriterien-Set durch die zuständigen Ministerien für Finanzen und Klima)
Regierungsprogramm 2020 – 2024, S. 77
Auch hier lockt also die Kapitalertragssteuerbefreiung. Das klingt doch stark nach einer Förderung von Anlageprodukten mit ESG und SRI-Ausrichtungen, die ja auch bei ETF-Anlegern zunehmend Beachtung finden.
Weiter sollen „Rahmenbedingungen für die Mobilisierung von privatem Kapital zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen, insbesondere im Bereich Klimaschutz und Energie“ geschaffen werden, wie es beim Thema Umsetzung einer „Green Finance Agenda“ auf Seite 107 heißt.
Auch hier wird eine Kapitalertragssteuerbefreiung für ESG- und SRI-Produkte in Aussicht gestellt:
KESt-Befreiung für ökologische/ethische Investitionen (Ausarbeitung eines Konzepts mit klarem Kriterien-Set durch die zuständigen Ministerien für Finanzen und Klima)
Regierungsprogramm 2020 – 2024, S. 107
Dabei wird auch explizit die Schaffung von Green Bonds vorgeschlagen und weiter hinten im Text auch „grüne Kredite“ für Start-ups sowie kleine und mittelgroße Unternehmen:
Die Bundesregierung bekennt sich zur Auflage von Green Bonds durch die ÖBFA. Institutionelle Investoren und die Bevölkerung können sich damit an der Klimawende beteiligen.
Regierungsprogramm 2020 – 2024, S. 107
Fazit
Sollte die neue österreichische Bundesregierung alle diese Vorhaben für die private Altersvorsorge in die Tat umsetzen, dürfte man als deutscher Anleger voller Neid nach Österreich schauen. Aber zum Glück wandern Gesetzesvorhaben ja gerne von einem deutschsprachigen Land ins andere…
Mein Vorschlag an die Bundesregierung und speziell unseren Finanzminister: vergesst doch bitte mal ganz schnell die Schnapsidee mit der Aktiensteuer. Hier gibt es viel bessere Ideen wie die Kapitalertragssteuerbefreiung bei Einhaltung einer Behaltefrist.
Vielleicht habt ihr ja Skrupel, diese Ideen einfach zu klauen. Immerhin musste der/die eine oder andere deutsche Minister/-in in der näheren Vergangenheit ja bereits wegen Plagiatsvorwürfen zurücktreten.
Keine Sorge. In diesem Fall wäre abschreiben gar nicht ehrenrührig und ausdrücklich gestattet. Außerdem hatten wir ja früher selbst schon Mal eine Haltefrist. Das wäre also gar nicht geklaut, sondern etwas bewährtes Altes wieder neu entdeckt. Also, nur zu!
Immerhin denkt ja auch die CSU mittlerweile offen darüber nach und Grüne und FDP stehen der geplanten Aktiensteuer kritisch gegenüber. Die Grünen forderten unlängst sogar einen deutschen Staatsfonds. Erste Lichtblicke?
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